In den letzten Tagen habe ich kurz über die Entstehung der Verfassungen in Bayern, Baden und Württemberg gelesen. Mein Ziel war es herauszufinden, ob es in diesen anderen Staaten eine ähnliche Verfassungsbewegung wie im Großherzogtum Hessen gegeben hat. War die Bewegung in Hessen-Darmstadt einzigartig oder nur eine von vielen Verfassungsbewegungen?
Die erste Information aus dem Band von Ernst Rudolf Huber über die deutsche Verfassungsgeschichte ist nicht ausreichend, um die Einzigartigkeit der Verfassungsbewegung in Hessen-Darmstadt zu verifizieren. Nichtsdestotrotz gibt es Hinweise, dass eine solche Bewegung in Bayern nicht vorhanden war. In Württemberg und Baden dagegen ist es weniger eindeutig.
Wenn ich das richtig verstanden haben waren die Fürsten deshalb daran Interessiert Verfassungen in ihren Staaten einzuführen, weil sie ihr Status und Führungsanspruch dadurch befestigen und legitimieren könnten. Alle Herrscher waren dabei neue Landesteile in ihrem Herrschaftsgebiet einzugliedern. Zunächst haben sie eine Zentralisierung der Regierung und Abschaffung der alten Landstände verfolgt und hatten die Vorstellung eine absolutistische Herrschaft einzurichten.
Mit Rückendeckung Napoleons war diese Strategie erfolgversprechend. Die Situation für den kleineren süddeutschen Staaten war nach dem Wiener-Kongress nicht mehr so günstig und eine andere Möglichkeit für die Verfestigung ihres Herrschaftsanspruchs und die Verteidigung der Souveränität ihres Staates wurde in die Legitimierung durch einer Verfassung gesehen. Hier würde ich auch gern tiefer den Grund dafür forschen.
Möglicherweise sollte durch eine Beteiligung des Volks diese Legitimierung und auch Verteidigung nach Außen erreicht werden. Ich stelle mir das so vor, dass die Verfassung eine Verbindung aller Untertanen hervorbringen soll, die zu einer Art Staatspatriotismus führen soll. Indem der Herrscher einen Eid auf die Verfassung leistet, so sichert er die Unterstützung und Treue seines Volkes. Deshalb würden auch diese Verfassung vom Herrscher oktroyiert und nicht mit den Volksvertretern gemeinsam ausgehandelt. So behielt der Fürst gleichzeitig seinen alleinigen Herrschaftsanspruch und sicherte eine Massenunterstützung für seine Herrschaft.
Außer in Bayern haben aber die adlige und bürgerliche Stände nicht mitgemacht und die Verfassung nicht auf Anhieb akzeptiert. Inwieweit eine national-liberale Bewegung involviert war, ist mir noch nicht klar. Huber schreibt,
Im Jahr des Sand’schen Attentats und der Karlsbader Beschlüsse bot sich dieses Bündnis des bürokratischen Etatismus und des altständischen Partikularismus gegen den liberalen und nationalen Konstitutionalismus als naheliegende Lösung an. Diese Wendung der Dinge nutzte König Wilhelm aus. Am 10. Juni 1819 ordnete er neue Wahlen zum Landtag an; am 13. Juli konstituierte die neueberufene Vertretung sich in Ludwigsburg. Gouvernemental und altständisch Gesinnte hatten die Mehrheit; die liberale und national gesinnte Gruppe der „Volksfreunde“, zu denen der junge Friedrich List gehörte, unterlag. … Die Mehrheit stimmte darauf dem Regierungsentwurf zu.
Huber, Ernst Rudolf, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Reform und Restauration : 1789 bis 1830, S. 334
Es scheint, als ob es eine liberale und national gesinnte Gruppe der „Volksfreunde“ in der Entstehung der Verfassung zwar aktiv war. Sie würden aber am Ende „besiegt“ und könnten ihre Forderungen nicht durchsetzen. Da die Studenten Universität Heidelberg sich in Burschenschaften organisierten und die nationalistische und liberale Prinzipien der Burschenschaftsbewegung annahmen, ist es durchaus denkbar, dass auch hier eine Verfassungsbewegung sich für eine Repräsentativverfassung wenigstens auch in Baden und auch Württemberg gekämpft hatte. Auch in Freiburg gab es solche Verbindungen. Hier würde ich gern bei Gelegenheit tiefer graben.